Projektbericht

Projektbericht: Escola National Florestan Fernandes

Multiplikatorenausbildung in Agrarökologie und Kooperativenwesen – Techniker und Leiter

Durchgeführt an der Bundesschule Florestan Fernandes (Escola Nacional Florestan Fernandes, ENFF) der brasilianischen Bewegung der Landlosen – Movimento dos Sem Terra, MST.

Rua Francisco José Raposo, 1.140
Bairro Jardim Parateí
08900-000-Guarema – SP – Caixa Postal 129
Projektzeitraum:              2004 – 2008
Kooperationspartner:        Caritas International & Freundinnen und Freunde der  brasilianischen Landlosenbewegung MST, Deutschland, e.V..

1. Einleitung
Die Bundesschule Florestan Fernandes wurde im Zeitraum von März 2000 bis Januar 2005 gebaut, und wird bis heute beständig erweitert. Die ENFF nimmt bereits heute eine zentrale Bedeutung als Aus- und Fortbildungsstätte für die ländlichen sozialen Bewegungen in Brasilien und ganz Lateinamerika.

Unter Verwendung von traditionellen Lehmbaumethoden galt es von Beginn an diese Schule als gemeinschafts- und identitätsförderndes Projekt der Landlosenbewegung und ihrer Partner zu realisieren. Über 1000 ehrenamtliche Arbeiter/innen des Movimento dos Sem Terra, aus 112 Siedlungen und 20 Staaten Brasiliens, aber auch internationale Freunde (Bsp. IGM-Jugend) waren wesentlich am Bau beteiligt.

Die ENFF wird heute in der juristischen Form eines eingetragenen Vereins betrieben.

Das Ziel der Nationalschule ist die Bildung bzw. der Kompetenzerwerb von Siedlerinnen und Siedlern der Agrarreform, Kleinbauern und anderen Arbeitern in Form von Kursen, Seminaren, Fortbildungen, Tagungen und Kulturveranstaltungen zu fördern.

Die Schule setzt sich inhaltlich als auch methodisch für Werte wie Gemeinschaft, soziale Gerechtigkeit, nachhaltige ländliche Entwicklung und Schutz der Umwelt ein. Ziel ist die Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung in Brasilien und Lateinamerika zu verbessern und deren Bürgerrecht auf eine allgemeine und weiterführende Bildung für zu realisieren. Zielgruppe sind in erster Linie Siedler der Landlosenbwewegung MST, der Via Campesina und anderer Sozialer Bewegungen auf dem Land und in den Städten oder allgemein Mitglieder von Organisationen, die sich für eine humanistische/menschlichere Entwicklung einsetzen.

Die Lehre an der Nationalschule umfasst die Bereiche Geschichte, Wirtschaft, Philosophie, Agrarkooperation, Techniken der Agrarökologie, Umweltbildung, Erziehung, Kommunikation, Kultur und Kunst, Informatik und andere. Alle Angebote und Aktivitäten basieren auf ehrenamtlichem Engagement von Aktivisten, Lehrern und Freunden. Die ENFF arbeitet wie die MST allgemein eng mit öffentlichen Hochschulen in ganz Brasilien zusammen, um den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Schüler aus den 24 Staaten Brasiliens und Lateinamerikas gerecht zu werden.

2. Aktuelle Herausforderungen:
In der tagtäglichen Arbeit der ENFF trifft man dabei sowohl auf praktische als auch ideelle Herausforderungen, die auch Ansatzpunkte für internationale Unterstützung liefern.

Eine der größten praktischen Herausforderungen der ENFF besteht darin, die laufenden Kosten der Infrastruktur (Wasser, Strom, Telefon und Nahrungsmittel) als Grundlage für die Entfaltung ihrer Aktivitäten durch Lehrer und Schüler aufrecht zu erhalten.

Die Bedeutung der Nationalschule geht jedoch über die eigentlichen Kurse hinaus. Sie ist Symbol für das Recht auf Bildung auf dem Land und in den sozialen Bewegungen. Zudem ist sie inzwischen einer der zentralen Orte der Landlosenbewegung für die konzeptionelle Entwicklung der politischen, philosophischen, methodischen und organisatorischen Ideen. Besonderer Schwerpunkt hat dabei die Konzept- und Methodenentwicklung im Bildungsbereich.

Es ist eine Herausforderung sowohl durch die Multiplikatoren Bildungsprozesse in den Siedlungen in Gang zu setzen, als auch in der brasilianischen Gesellschaft an sich einen Wandel durch Bildung anzuregen, zu fördern oder auch negativen Tendenzen entgegenzuwirken. Die ENFF ist damit der Institutionelle Raum für einen dynamischen und offenen Bildungsprozess, bei dem es gilt die Potentiale ausschöpfen und einen wechselseitigen Austauschprozess hin zu Entwicklung zwischen Schülern und Lehrern, Land und Stadt, der Bewegung und der Gesellschaft zu ermöglichen. Diesen Prozess aufrecht zu erhalten und zu vervielfältigen, die eigenen Kenntnisse weiterzuentwickeln und zu fördern hin zu einem Wandel der Gesellschaft ist das Ziel dieser Schule.

Die Aufrechterhaltung der Infrastruktur und Unterstützung des ehrenamtlichen Lehr- und Verwaltungsteams an der ENFF ist ohne die internationale Solidarität nicht denkbar.

 3. Statistik der Ausbildungskurse:
Verschiedene Programme zur Ausbildung von Multiplikatoren werden über/mit der ENFF realisiert. Bis zum Jahr 2007 hat sich die Zahl der Studenten bei etwa 4500 eingependelt (2005:2000; 2006: 3300). Im ersten Semester 2008 wahren es erneut bereits über 2000 Teilnehmer. Die Zahl der größtenteils über die ENFF abgewickelten Partnerschaften mit öffentlichen Universitäten beläuft sich inzwischen auf über 50 Kooperationen.
Überblick über die an der ENFF angebotenen Fortbildungen:

  • Politische Bildung: Theorie Lateinamerikanischer Politik I
  • Politische Theorie Lateinamerikas II
  • Geschichte der Klassenkämpfe in Brasilien
  • Wirtschaftspolitik und Landwirtschaft
  • Geschichte der politischen Theorie Brasiliens
  • Soziologie des ruralen Raumes
  • u.a.

Graduiertenprogramme an der ENFF:
Pädagogik, Agrarwirtschaft, Geschichte, Literatur, Agrarwissenschaft, Recht, Geografie, Psychologie, Verwaltung, Veterinärmedizin

Spezialisierung- und Aufbaukurse in Zusammenarbeit mit öffentlichen Universitäten; durchführung an der ENFF:

  • Sozialtheorie und Wissen (UFRJ)
  • Lateinamerikastudien (UFJF)
  • Wirtschaftspolitik (UFES)
  • Master in Soziologie (UFPB)

Weitere Aktivitäten 2008:
Baumaßnahmen: Ausbau der Wege und Straßen, Konstruktion eines Pförtnerhäuschens, Bau der kleinen Werkhalle, Installation des Bewässerungssystems für den Garten der ENFF, Bau einer Wasserzisterne, Reparaturen am Dach des Speisesaals.

Bildungsveranstaltungen: (Auswahl) Internationales Seminar über Eukalyptus Monokulturen, Koordinierungsworkshop der pädagogischen Jugendleiter, Internationales Seminar zum Klassenkampf, Seminar der ALBA, Tagung über Bildung von Jungendlichen und Erwachsenen, Tagung „100 Jahre Josué de Castro“, Tagung „80 Jahre Che“, Ausstellung und Veranstaltungen über Rosa Luxemburg.

Exemplarisch sollen hier kurz 2 Maßnahmen näher beschrieben werden.

4. Projektbericht:
Multiplikatorenausbildung in Agrarökologie und Kooperativenwesen – Techniker und Leiter

Ziel dieses Teilprojektes, gefördert durch die FreundInnen der brasilianischen Landlosenbewegung, war die Integration der politischen Bildung mit den Produktionsabläufen in den Siedlungen.

Nachfolgend werden die Veranstaltungen, die über die Kooperation im Zeitraum Juli-November 2008 durchgeführt werden konnten, zwei Tagungen und ein Ausbildungskurs in Agrarökologie, kurz dargestellt.

Ausbildungskurs Agrarökologie
Die wesentlichen Inhalte dieses Kurses: Ausgehend von einer Analyse der Bedeutung der traditionellen Landwirtschaft für die Ernährungssicherung in Brasilien galt es zunächst die notwendigen Grundlagen der bäuerlichen Lebensweise aus verschiedenen Perspektiven zu erarbeiten. Im Kontext der neueren Entwicklungen in der industriellen Landwirtschaft, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten für Veränderungen im Bereich Agrarökologie und Subsistenzwirtschaft wurden Techniken und Kenntnisse der Agrarökologie – Pflanzenanbau, Umgang und Bedeutung von Samen, Tierhaltung – gelehrt und erprobt.

Eine andere Bildung braucht andere Methoden: In diesem wie auch anderen Kursen wird viel Wert auf Gruppenarbeit, Selbstständige Erarbeitung von Inhalten, deren Präsentation sowie eigenständige Unterrichtsgestaltung gelegt. Zudem waren die Teilnehmer aufgefordert eigene Forschung mit Praxisbezug durchzuführen und mussten verschiedene Produktions- und Anbaumethoden analysieren und auswerten. Ein weiterer Schwerpunkt lag in praktischen Übungen auf dem Feld.

Tagungen des Sektors für Produktion, Kooperation und Umwelt (SPCMA):
Die zwei Tagungen dienten der Organisation und Verwaltung dieses Sektors, der Bildung von Arbeitsgruppen, konkreter Projektplanung und Jahresplanung. Hierfür galt es die Programmlinien für diese Aktivitäten inhaltlich zu diskutieren. Themen waren: Aktuelle Herausforderungen in- und außerhalb der MST, Weiterentwicklung von BioNatur (einer Marke für ökologische Samen der MST), Umweltschutz, Waldschutz, Vorbereitung der internen Aktivitäten und der strategischen und politischen Aktivitäten auf nationaler Ebene, Ausbau der strategischen Partnerschaften – Vorbereitung von bundesweiten Veranstaltungen mit Partnerorganisationen (ANA), Erstellung von didaktischem Material und technischen Anleitungen für die Lager und Siedlungen.

5. Aktuell
Seit Januar 2009 bis Ende 2010 läuft ein neues Kooperationsprojekt der Amig@s do MST zusammen mit Caritas International um die Kosten der Ausbildungen an der ENFF weiter zu fördern: mit einem jeweiligen Anteil von 75.000.- Euro.

Die Projektkosten setzen sich wie folgt zusammen:

Die ersten 50.000 sind bereits an die ENFF überwiesen worden. Demnächst wird ein neuer Projektbericht vorliegen, den wir als Kurzfassung (in deutsch) an euch weiterleiten wollen.

Um diese Verpflichtung erfüllen zu können, müssen wir bis Ende nächsten Jahres weitere 25.000.- gemeinsam aufbringen.
6. Übergabe der Schule
Am Donnerstag, den 10.12.09 wurde in der Universität Leipzig die ENFF offiziell der MST übergeben. Wolfgang Hees hat noch einmal den Werdegang des Projektes dargestellt, Andrea Puhlmann von der IG Metall Jugend berichtete über ihre Arbeitserfahrungen als Mitglied einer Jugendbrigade an der Schule. Vom DGB Leipzig kam ein Grußwort. Neurí Rossetto und Kelli Mafort vom MST dankten für die internationale Solidarität und erläuterten das Bildungskonzept der Schule. Sie zeigten einen Film, in dem Bau und Aktivitäten an der Schule gut zu sehen waren.

Mehr dazu, und den Film, in Frankfurt, beim amigotreffen, am 26.02.2010
Herzliche Grüße
für den Vorstand des Vereins
Wolfgang Hees, Thomas Schmidt, Benjamin Bunk