Seit dem kalten Putsch in Brasilien – teils auch schon im spannungsgeladenen Vorfeld, ist die Zahl der Landkonflikte in Brasilien wieder enorm angestiegen. Vor allem aber werden sie wieder in einer Brutalität ausgetragen, wie sie in den letzten jahren eher unüblich war. Beinahe wöchentlich erreichen uns Pressemitteilungen der MST. Nach einer knappen Einordnung auch ein kurzer Bericht von Günther Schulz zu den jüngsten Ereignissen in Rondônia.
Die zunehmenden Landkonflikte sind ein deutliches Zeichen dafür, dass in dieser unsicheren und veränderten politischen Konstellation auf Bundesebene Großgrundbesitzer, die Agrarlobby oder lokale Autoritäten die Dinge wieder auf ihre Weise ‚regeln‘ regeln – und es auch tatsächlich können. Die Art und Weise der Austragung der Landkonflikte hatte aufgrund der stärkeren Intervention der Bundesbehörden seit Lulas Amtsantritt demokratischere Züege angenommen (bsp. Justiz auf Bundesebene; bsp: Anti-Sklaverei Behörde. Aber weit davon entfernt, gut zu sein. Jedoch fast nur dort wo es Verschiebungen der Agrargrenzen im Nordosten, im Amazonasgebiet oder bei Staudammkonflikten zu beobachten gab). Die aktuelle Erruption von Gewalt aber zeigt deutlich, dass weder die Konflikte gelöst, ologarchische Strukturen verändert oder die Einstellung der lokalen Großgrundbesitzer sich verändert haben.
Dazu ein Kurzbericht von Günther Schulz, der bis vor kurzem wieder vor Ort war:
Landkonflikte: Gewalt in Rondônia
Von den durch die Landarbeiterpastoral CPT in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 registrierten offiziellen Morden – 47 an der Zahl – geschahen allein in diesem Bundesstaat sechzehn Morde.
Zuletzt starb am 16. September das Ehepaar Isaque Dias Ferreira, 34 und Edilene Mateus Porto, 32 Jahre alt. Der Kopf von Isaque wurde hierbei zerschmettert, dies geschah in letzter Zeit bei sechs weiteren ermordeten Personen!
Isaque und Edilene waren Führungspersönlichkeiten der „Camponeses Pobres de Rondônia e Amazônia Ocidental“ (Arme Landarbeiter Rondônias und des westlichen Amazoniens“) und Angehörige der Landbesetzung 10 de maio. Sie nahmen aktiv an öffentlichen Anhörungen „Gegen Gewalt auf dem Lande“ teil, klagten die widerrechtlichen Aneignungen von Staatsland in ihrer Region an und forderten die endgültige Anerkennung des Landlosenlagers 10 de maio. Das von ihnen besetzte Staatsland wurde bereits im Zuge einer Agrarreform 1999 enteignet und für Ansiedlungen vorgesehen – bis heute ist dies nicht geschehen.
Aus dem Landlosenlager 10 de maio wurden in diesem Jahr bereits vier Bewohner ermordet, alle waren zuvor auf einer veröffentlichten Todesliste („marcado para morrer“), die insgesamt zehn Personen umfasste, erwähnt. Augenblicklich leben nur noch zwei auf dieser Liste verzeichneten Personen.
Erschreckend ist nach wie vor die herrschende Straflosigkeit. Keiner der Morde aus den Jahren 2015 und 2016 erfuhr bisher eine strafrechtliche Verfolgung geschweige denn eine Verurteilung.