Von Via Campesina – Rio Grande do Sul – 2006, zusammengefasst von Gislene Lima, November 2009. Für KoBra aus dem brasilianischen Portugiesisch von Sylvia Meyer
Um die Bedrohung von Mensch und Umwelt durch Eukalyptusmonokulturen zu verstehen, ist es notwendig zu wissen, wie und warum sie in Brasilien eingeführt wurden.
Die Eukalyptuspflanze stammt ursprünglich aus den feuchten Regionen Australiens und hat sich wunderbar in Brasilien „eingelebt“. Im Vergleich zu einheimischen Bäumen wächst der Eukalyptus doppelt so schnell. Dafür benötigt er allerdings viel Wasser. In der Wachstumsphase verbraucht ein Stamm durchschnittlich 30 Liter pro Tag. Trotz zahlreicher Flüsse gibt es in Brasilien keine ausgedehnten Feuchtgebiete wie im natürlichen Lebensraum des Baumes in Australien.
Der Anbau des Eukalyptus in Brasilien begann Anfang des 19. Jahrhunderts. Lange Zeit hat der Eukalyptus der Umwelt in Brasilien keinen Schaden zugefügt, da er nur im kleinen Rahmen und verteilt über ein großes Gebiet angepflanzt wurde. Doch im Zuge der weltweiten Papier- und Zelluloseknappheit in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts weiteten multinationale Konzerne den Anbau auf Großplantagen aus und die so genannten grünen Wüsten entstanden.
Eine Eukalyptusmonokultur in einer Region kann zu schwerwiegenden Störungen des Wasserhaushalts führen. Die Folge ist Wasserknappheit für andere Pflanzen, durch den sinkenden Grundwasserspiegel aber auch für Mensch und Tier. Die Ufergebiete der Flüsse Amazonas und Solimões, die regelmäßig überschwemmt werden (Várzeas), fallen ebenso wie Berghänge, künstliche Brunnen und kleine Bäche trocken. Die obere Schicht des Bodens trocknet ebenfalls aus, was Veränderungen der Regenzeit mit sich bringt. Feuchtigkeitsmangel erschwert es Kaltfronten, mit ihrem Regen in solche Regionen vorzudringen. Deshalb kommt es dort zu mehr Dürreperioden.
Dazu kommt, dass heutzutage zwecks schnelleren Wachstums genetisch veränderter Eukalyptus angebaut wird oder Klon-Pflanzen zur Vereinheitlichung von Umfang und Dicke der gesamten Kultur verwendet werden. Die notwendige Arbeitszeit in einer Eukalyptusmonokultur wird so um 70% vermindert, die variierten Sorten brauchen allerdings noch mehr Wasser. Nach zwei Eukalyptusernten sind die Böden derart degradiert, dass sie für jedwede Nutzung ungeeignet sind und Jahre brauchen, bis sie sich regeneriert haben.
Am umweltschädlichsten ist jedoch die Verarbeitung des Eukalyptusholzes zu Papier, speziell die Bleichung von Zellulose. Dazu sind mehrere Waschgänge nötig, um Verunreinigungen zu entfernen und das vorher mit chemischen Zusätzen gekochte, pastenartige Holz, aus dem Papier gemacht wird, aufzuhellen. Daher finden sich Papierfabriken immer in Fluss- oder Seenähe.
Der Bleichprozess wurde in Brasilien auf Chlordioxid umgestellt, um die Bildung von Dioxinen zu vermindern. Obwohl das geholfen hat, die Verseuchung zu verringern, ist das Verfahren immer noch hochgefährlich. Dioxine gehören nachweislich zu den hochgradig krebserregenden chemischen Verbindungen. Auch können sie hormonell bedingte Krankheiten hervorrufen, die Fortpflanzung gefährden, oder das Nerven- und Abwehrsystem schädigen. Trotz Aufbereitung der Abwässer in den Fabriken bleiben die Dioxine im Wasser und gelangen so in die Flüsse, den Boden und letztlich auch die Vegetation und die Nahrungskette.
Die erste Ausdehnung der „grünen Wüste“ war in Espírito Santo, Bahia und Minas Gerais zu verzeichnen. Die Mata Atlântica, der brasilianische Küstenregenwald, und der Cerrado, die Savannen Zentralbrasiliens, wurden innerhalb kürzester Zeit von Eukalyptus überzogen. Indigene und traditionelle Bevölkerungsgruppen wurden vertrieben. Allein in Espírito Santo wurden mehr als 40 Dörfer der Völker Tupinikim und Guarani und ca. 10.000 in Quilombos lebende Familien vertrieben.
In Rio Grande do Sul verseuchte die Papierindustrie ganze Flüsse und verursachte, dass Regenzeiten ab- und Dürreperioden zunehmen. In der gesamten Pampa (die die Hälfte von Rio Grande do Sul und ganz Uruguay umfasst – einem Staat mit bereits mehr als einer Millionen Hektar Eukalyptusplantagen) gibt es ein ökologisches Ungleichgewicht. Zwischen 2004 und 2006 mussten einige Städte, beispielsweise Bagé, das Wasser für die Stadtbevölkerung rationieren. In der Region gab es ebenfalls eine Überpopulation von Mönchssittichen. Dieser Vogel gehört zu den wenigen Vogelarten, die sich an die Bedingungen der grünen Wüste angepasst haben. Die unkontrollierte Vermehrung der Papageienart führte innerhalb weniger Stunden zur Vernichtung von Mais- und Sonnenblumenkulturen.
In Encruzilhada do Sul, 162 km von Porto Alegre entfernt, wurden KleinbäuerInnen dazu gezwungen ihre Felder zu verlassen, da sie von der grünen Wüste umzingelt waren. Ihre Quellen und Brunnen fielen trocken und dem Vieh blieb nicht genug Weidefläche. Diejenigen, die bisher noch geblieben sind, fühlen sich isoliert. Die Gemeinden in der Region sind verschwunden, die Schulen geschlossen und der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist problematisch. Den BäuerInnen fehlt die Perspektive und so verkaufen sie ihre Ländereien an die Papierfabriken.
Darüber hinaus sind gerade drei große Zellulose- und Papierhersteller dabei, sich in Rio Grande do Sul zu etablieren: Aracruz, Votorantin und Stora Enso. Nach drei Jahren hatten sie 300.000 Hektar Anbaufläche für Eukalyptus und Soja aufgekauft – und bis 2015 wollen sie noch eine Million Hektar dazu erwerben.
Bei der Größe eines Familienbesitzes zwischen 15 und 20 Hektar könnten auf der von den drei Unternehmen gekauften Fläche 16.500 Familien ihr Auskommen finden. Internationale Untersuchungen zeigen, dass pro 187 Hektar Eukalyptus nur eine Arbeitsstelle geschaffen wird. Die familiäre Landwirtschaft dagegen schafft pro 9 Hektar eine Stelle. Basierend auf diesen Daten ist davon auszugehen,
dass 300.000 Hektar „grüne Wüste“ kaum mehr als 1.600 Personen Arbeit gibt. Würde die Fläche zur Landreform genutzt, könnten auf ihr 33.000 Menschen leben.
Augenfällig ist, dass in Rio Grande do Sul in den letzten 25 Jahren nur wenig mehr als 12.000 Familien angesiedelt wurden, die ein Gebiet von ca. 250.000 Hektar besetzen. Dagegen gab es für die innerhalb von drei Jahren aufgekauften 300.000 Hektar Land auch noch eine öffentliche Finanzierung durch die nationale Entwicklungsbank (BNDES).
Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass man in der Produktion von Holz für Zellulose und Papier und die Möbelindustrie nur in ca. 20% des Produktionssystems mit KleinbäuerInnen zusammenarbeitet. Die Strategie ist, nicht von anderen ProduzentInnen abhängig zu sein, die großen Einfluss auf die Verhandlungen des Holzpreises hätten. Daher kaufen die Firmen große Areale. Die Eukalyptusgroßplantagen sind die jüngste Bremse für die Landreform in Rio Grande do Sul und in anderen Regionen Brasiliens.
Die drei Zellulose- und Papierunternehmen, die den brasilianischen Markt dominieren, sind eigentlich ein und derselbe kleine Kreis von Akteuren. Die norwegische Lorentzen Gruppe hält 28% an Aracruz, weitere 28% von Aracruz gehören der Safra Bank mit Hauptsitz in Monaco, und ebenfalls 28% der Votorantin Gruppe, die den Zementmarkt in Brasilien kontrolliert. 12,5 % hält die BNDES, die als großer Finanzier für Landkäufe und Saatgut agiert. Kleine AnlegerInnen halten die restlichen 3,5%, darunter auch der multinationale Zigarettenproduzent Souza Cruz. Votorantin nutzt die Kenntnisse und Technologien von Aracruz, an der sie Teilhaberin ist, um Konkurrenz zwischen den Firmen zu vermeiden. Votorantin ist dem Namen nach ein nationales Unternehmen, aber im Grunde verfolgt dieses die gleiche Strategie wie die Multis, die die natürlichen Ressourcen Brasiliens ausbeuten. Stora Enso, ein schwedisch-finnischer Multi, ist Partner der Aracruz. Zusammen bilden die beiden Veracel, ein drittes Unternehmen, das im gleichen Geschäftsbereich agiert. Beide Teilhaber halten je 50%.
Zusammengefasst: Votorantin ist Teilhaberin von Aracruz, die wiederum eine Partnerschaft mit Stora Enso hat. Milliarden Hektar und Billiarden Liter Wasser werden von der gleichen Unternehmensgruppe verbraucht, deren Kapital von ausländischen AnlegerInnen kontrolliert wird. Davon abgesehen, dass einheimischen ProduzentInnen und der Bevölkerung das Wasser fehlt, zahlt Brasilien die gesamten sozialen und ökologischen Kosten, die die Verschmutzung der Gewässer mit sich bringt. Übrigens durch Substanzen, die in den Herkunftsländern der Multis verboten sind.
Heutzutage wird 95% des von Aracruz hergestellten gebleichten Zellstoffs exportiert. Die BNDES gab Aracruz 2002 eine Finanzspritze von 840 Millionen R$ zum Bau einer neuen Fabrik. Die Firma allein besitzt 247.000 Hektar bereits bepflanzter Eukalyptusplantagen in den Bundesstaaten Espírito Santo, Bahia, Minas Gerais und Rio Grande do Sul. Veracel besitzt in Bahia ungefähr 70.000 Hektar mit der Monokultur.
Und um noch mehr zu exportieren, will Aracruz bis 2012 4,4 Milliarden US$ investieren und die Anbaufläche von 1,4 Mio Hektar auf 2,6 Mio Hektar, also um ca. 86%, ausweiten. Ein großer Teil der Expansion betrifft Rio Grande do Sul. Und 90% der dortigen Produktion werden exportiert.
Forderungen – Diese neue Art von Latifundien bestärkt soziale Bewegungen und fortschrittliche politische Kräfte in ihrem Kampf für eine Begrenzung des Landbesitzes. Würde das Gesetz „Módulo Máximo“ für eine Obergrenze von Landbesitz im Nationalkongress Zustimmung finden, böte dieses eine gesetzliche Möglichkeit, den Missbrauch zu verhindern.
Wir treten für ein Entwicklungsmodell ein, das Land und Einkommen verteilt, Landwirtschaft und Viehzucht im kleinen und mittleren Rahmen ermöglicht, Arbeitsplätze schafft und die Umwelt schützt. Wir denken, dass es möglich ist, Holz zur Erzeugung von Papier und Zellulose herzustellen und den Anbau mit anderweitiger Nutzung zu kombinieren.
Wir setzen uns ebenfalls für eine agrarökologische und eine agrarforstwirtschaftliche Zonierung ein. Diese Zonierung muss zuvor mit den betroffenen Sektoren demokratisch diskutiert und festgelegt werden. Wir sind für das Verbot von Papierbleichtechniken mittels Chlordioxid und für ein komplettes Verbot des Anbaus von Kiefern im kommerziellen Rahmen.
Der Widerstand gegen Eukalyptusgroßplantagen in Brasilien nimmt Formen an. Die soziale Mobilisierung der Betroffenen in Bahia, Espírito Santo und Minas Gerais hat schon einige bedeutende Ziele erreicht. Mehr als 100 soziale Organisationen haben sich in der Bewegung Rede Alerta Contra o Deserto Verde (www.cepedes.org.br/redealerta.php) zusammengeschlossen. Ein wichtiger Sieg war es, dass Aracruz das Zertifikat FSC der gemeinnützigen internationalen Mitgliederorganisation Conselho de Manejo Florestal (Forest Stewardship Council) verwehrt wurde. Für die Zertifizierung bräuchte das Unternehmen die Zustimmung der umliegenden Gemeinden, die dem Multi keine Unterstützung zukommen lassen.